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24. November 2020 17:45

Ver­trau­en in das Drei-Säu­len-Sys­tem

«Schwei­zer war­ten nicht auf Go­dot, wenn es um ih­re Vor­sor­ge geht», schreibt Ave­nir Suis­se in ei­nem ak­tu­el­len Bei­trag hier. Die­ser war zu­vor in der «Schwei­zer Per­so­nal­vor­sor­ge», Aus­ga­be 11/20, er­schie­nen. Wir ge­ben ihn im fol­gen­den teil­wei­se wie­der. 

Ge­mä­ss ei­ner Um­fra­ge des In­sti­tuts MIS-Trend, die von Grou­pe Mu­tu­el in Auf­trag ge­ge­ben wur­de, ha­ben zwei Drit­tel der Be­völ­ke­rung Ver­trau­en in das Drei-Säu­len-Sys­tem. Die­se Zu­ver­sicht fällt aber je nach Säu­le sehr un­ter­schied­lich aus. Nur 61 Pro­zent ver­trau­en auf die fi­nan­zi­el­le Sta­bi­li­tät der AHV, auf die be­ruf­li­che Vor­sor­ge hin­ge­gen 66 Pro­zent und auf die Säu­le 3a 74 Pro­zent.

An­ge­sichts der Be­däch­tig­keit und der Fehl­schlä­ge bei den Re­for­men über­las­sen die Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer die Lö­sung ih­rer Vor­sor­ge­pro­ble­me nicht län­ger der Po­li­tik. Ge­mä­ss der­sel­ben Um­fra­ge ge­hen 41 Pro­zent der be­frag­ten Per­so­nen da­von aus, dass sie ihr Schick­sal selbst in die Hand neh­men müs­sen, be­vor dies der Staat (34%) oder der Ar­beit­ge­ber (19%) tun. Die­se Phi­lo­so­phie der ge­teil­ten Ver­ant­wor­tung ent­spricht der di­ver­si­fi­zier­ten Struk­tur der drei Säu­len in der Al­ters­vor­sor­ge.

Die in sol­chen Um­fra­gen ge­äus­ser­ten Mei­nun­gen müs­sen je­doch mit Vor­sicht ge­nos­sen wer­den. Die Aus­sa­gen ver­pflich­ten den­je­ni­gen, der sie macht, zu nichts. Aus­ser­dem ver­langt es der Zeit­geist, sol­che Fra­gen ent­spre­chend zu be­ant­wor­ten. Es bleibt al­so ab­zu­klä­ren, ob die Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer sich tat­säch­lich so ver­hal­ten, wie sie es be­haup­ten.

Star­ker An­stieg der Ein­käu­fe

Bei der 2. Säu­le scheint dies der Fall zu sein. In­ner­halb von zehn Jah­ren stieg die jähr­li­che Ein­kaufs­s­um­me durch Ver­si­cher­te in Fes­t­an­stel­lung von vier auf sechs Mil­li­ar­den Fran­ken. Auch wenn in die­ser Zeit­span­ne die Zahl der in der 2. Säu­le Ver­si­cher­ten stark ge­stie­gen ist, stellt dies ei­ne Zu­nah­me des durch­schnitt­li­chen Ein­kaufs pro Per­son um knapp 30 Pro­zent dar: Der Be­trag stieg von 1100 Fran­ken pro ver­si­cher­ter Per­son im Jahr 2008 auf 1400 Fran­ken im Jahr 2018.

Der Zu­wachs der Ein­käu­fe be­legt das gros­se Ver­trau­en in die Sta­bi­li­tät der 2. Säu­le, trotz des aku­ten Re­form­be­darfs. Die­se Ent­wick­lung kann durch wei­te­re Fak­to­ren er­klärt wer­den: Ers­tens stie­gen in die­ser Zeit die teue­rungs­be­rei­nig­ten Löh­ne, was hö­he­re Er­spar­nis­se er­mög­lich­te.

Zwei­tens sind die BVG-Min­dest­zins­sät­ze zwar tief, sie blei­ben aber in­ter­essant im Ver­gleich zu den ge­gen null stre­ben­den Zin­sen, die Ban­ken auf Spar­kon­ten an­bie­ten.

Und drit­tens ist ein de­mo­gra­fi­scher Ef­fekt zu be­ob­ach­ten: Die ge­bur­ten­star­ken Ba­by­boo­mer-Ge­ne­ra­tio­nen kom­men näm­lich in ein Al­ter, in dem das The­ma Vor­sor­ge an Be­deu­tung ge­winnt. Mit den sin­ken­den Um­wand­lungs­sät­zen der um­hül­len­den Pen­si­ons­kas­sen wird das Auf­sto­cken des Al­ters­gut­ha­bens zur Wah­rung des Ren­ten­ni­ve­aus zu ei­ner Prio­ri­tät für zahl­rei­che künf­ti­ge Rent­ne­rin­nen und Rent­ner.

(...)

Zahl­rei­che Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer neh­men al­so ihr Schick­sal selbst in die Hand, doch dies be­deu­tet nicht, dass sich die Po­li­tik auf ih­ren Lor­bee­ren aus­ru­hen darf. Die Um­fra­ge von MIS-Trend er­gab ei­ne be­un­ru­hi­gen­de Er­kennt­nis: 52 Pro­zent der Be­völ­ke­rung ge­hen da­von aus, dass «ihr Le­bens­stan­dard (auch nach der Pen­sio­nie­rung) un­ter oder gar deut­lich un­ter demje­ni­gen ih­rer El­tern» lie­gen wird. Nur 19 Pro­zent rech­nen mit ei­ner Ver­bes­se­rung. Die­ses man­geln­de Ver­trau­en in den Wohl­stand des Lan­des muss uns zu den­ken ge­ben, denn die bes­te Form der Vor­sor­ge be­steht – un­ab­hän­gig von der Säu­le – dar­in, ei­ne Stel­le zu ha­ben.

Das Fa­zit: die Po­li­tik darf die Re­for­men von AHV und BVG nicht län­ger ver­zö­gern. Da­bei müs­sen An­sät­ze ver­folgt wer­den, die auch in ei­ner Volks­ab­stim­mung ei­ne Chan­ce ha­ben. Für die zwei­te Säu­le heisst dies, dass die un­um­strit­ten not­wen­di­ge Sen­kung des BVG-Min­dest-Um­wand­lungs­sat­zes durch zu­sätz­li­che Sp­ar­bei­trä­ge auf­ge­fan­gen wer­den muss, zum Er­halt des Ren­ten­ni­ve­aus. Für ei­ne Über­gangs­ge­ne­ra­ti­on, die zu kurz vor der Pen­sio­nie­rung steht, um durch sol­che Mass­nah­men die dro­hen­den Ein­bus­sen zu kom­pen­sie­ren, braucht es ge­son­der­te Mass­nah­men. Die­se dür­fen aber nicht dar­in be­ste­hen, sämt­li­chen Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern zu­sätz­li­che Lohn­pro­zen­te ab­zu­zie­hen. Das hät­te vor dem Stimm­volk wohl kei­ne Chan­ce. Um­so we­ni­ger, als es auch gar nicht not­wen­dig wä­re, denn die Pen­si­ons­kas­sen ha­ben schon längst ge­nü­gend Rück­stel­lun­gen für sol­che Pen­sio­nie­rungs­ver­lus­te ge­bil­det, denn sie sind ge­setz­lich da­zu ver­pflich­tet. Man muss den Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern das Geld nicht ein zwei­tes Mal aus der Ta­sche zie­hen. Der BVG-Reform-Vorschlag des ASIPbe­rück­sich­tigt die­se Tat­sa­che. 

 

Joshua Earle, Unsplash

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