11. November 2022 17:27
BVG21 unter schlechtem Stern
Hansueli Schöchli hat in der NZZ eine Analyse zum Stand der Debatte über die BVG-Reform veröffentlicht. Er schreibt: «Das Volk hat zwar die AHV-Vorlage knapp angenommen, doch für die Pensionskassenreform sieht es schlecht aus. Der Ständerat dürfte im Dezember eine Reform der beruflichen Vorsorge beschliessen. Der Nationalrat hat eine andere Variante beschlossen. Aber eine Vorlage mit guten Chancen in einer Volksabstimmung ist nicht in Sicht.».
Denn: Die Vorlage des Ständerats werde nun nicht nur von links angeschossen, sondern auch vom Gewerbeverband. «Der deklarierte Hauptgrund: zu hohe Zusatzkosten für die Arbeitgeber.»
«Die Kontroverse betreffe hier vor allem die Höhe der «Kompensationen» für Übergangsjahrgänge in Form subventionierter Rentenzuschläge. Die Linke fordert solch breite Zuschläge, dass die geplante Senkung des Rentenminimums überkompensiert würde und die Umverteilung von Jung zu Alt sogar noch zunähme.»
Mit anderen Worten: die «Linke» will eine Reform der zweiten Säule, die dem Ziel der Reform komplett widerspricht. Statt die Umverteilung von Jung zu Alt zu reduzieren, will die «Linke» sie sogar noch ausweiten. Um dies zu begründen, werden sogar Falschinformationen verbreitet, wie der ASIP im BVG-Faktencheck ausführlich dargelegt hat.
«… Eine Alternative wäre die Variante, die der Nationalrat Ende 2021 beschlossen hatte. Jene Variante enthält tiefere Rentenzuschläge für die Übergangsjahrgänge (total gut 9 Milliarden statt knapp 12 Milliarden Franken) und einen weniger weit gehenden Ausbau des Zwangssparens für Geringverdiener.
Der Gewerbeverband hat diese Variante akzeptiert, aber auch bei diesem Modell ist kein inneres Feuer spürbar. Und der Widerstand der Linken ist hier wegen der tieferen Rentensubventionen noch stärker. Auch diese Vorlage hätte es vor dem Volk wohl eher schwer. (…)
Ein möglicher Notausgang wäre die Halbierung der Vorlage: Man verzichtet auf die Senkung des gesetzlichen Rentenminimums und beschränkt sich auf den Ausbau des Zwangssparens für Geringverdiener. Damit wäre das leidige Thema der «Kompensationen» vom Tisch. Doch auch diese Idee stösst weder rechts noch links auf Begeisterung. (…)
Die Befürworter einer «halben» Pensionskassenreform kämen am ehesten aus der politischen Mitte: Sie mögen eine solche Vorlage als Ausbau der Versicherung für Geringverdiener und namentlich als Förderung der Frauen verkaufen. Ob die Betroffenen dies selber wollen und entsprechend höhere Lohnabzüge akzeptieren, ist aber eine andere Frage.»
Fazit: für eine Einigung bräuchte es gemeinsame Ziele
Was man aus dem Artikel herauslesen kann: Schon früh im Prozess haben ASIP/Mittelweg einen Reformvorschlag präsentiert, der das eigentliche Problem bei der Wurzel packt, sich auf dieses fokussiert und deshalb die günstigste von allen Lösungen darstellen würde. Die «Linke» wollte diesen Vorschlag nicht akzeptieren, weil sie mit dem Vorschlag des Bundesrates ein Modell in der Hand hatte, das zwar nicht der Problemlösung gedient, aber die zweite Säule geschwächt hätte zugunsten eines Umlageverfahrens, wie man es nur aus der AHV kennt. Die Ziele der politischen «Linken» stimmen somit nicht überein mit den Zielen der Reform, die eine Stärkung der zweiten Säule bewirken soll. Wenn die Ziele dermassen auseinander gehen, darf man sich nicht wundern, wenn eine Einigung nicht möglich ist.
Weiterlesen bei der NZZ: https://www.nzz.ch/wirtschaft/pensionskassen-fuer-eine-reform-sind-die-aussichten-schlecht-ld.1711136
Diesen Eintrag kommentieren