ASIP-Stellungnahmen , Mindestzins , Performance , Reformen , ASIP Faktenchecks

6. November 2022 15:05

Das Fa­ke News-De­ba­kel in der zwei­ten Säu­le

Re­gel­mäs­sig be­vor im Par­la­ment über die zwei­te Säu­le ge­spro­chen wird, ver­brei­ten ge­wis­se Me­di­en Halb­wahr­hei­ten, Falsch­in­for­ma­tio­nen und nicht über­prüf­ba­re Un­ter­stel­lun­gen zur be­ruf­li­chen Vor­sor­ge. So auch heu­te wie­der im Sonn­tags­blick, der über ein mor­gen er­schei­nen­des Buch be­rich­tet, das mit eben­sol­chen Fehl­in­for­ma­tio­nen ge­spickt zu sein scheint.

Ein Schelm, wer da­bei nicht dar­an den­ken muss, dass in der kom­men­den Ses­si­on der Stän­de­rat über die BVG-Re­vi­si­on de­bat­tie­ren wird und dass der Zeit­punkt so ge­wählt sein könn­te, dass die Lek­tü­re die­ses reis­se­ri­schen Wer­kes bis da­hin noch mög­lich sein soll­te…

Das Buch kri­ti­siert, wie Ban­ken und Ver­si­che­run­gen die Vor­sor­ge­gel­der aus der zwei­ten Säu­le an­le­gen. An­geb­lich sol­len den Ver­si­cher­ten 200 Mrd. Fran­ken ent­gan­gen sein, weil ein er­heb­li­cher Teil des Gel­des ak­tiv statt pas­siv an­ge­legt wur­de.

Wäh­rend ei­ne pas­si­ve An­la­ge­stra­te­gie ein­fach nur dar­in be­steht, in einen In­dex wie den S&P 500 zu in­ves­tie­ren und die­sen dann zu ver­fol­gen, bein­hal­tet ei­ne ak­ti­ve An­la­ge­stra­te­gie die Ver­wen­dung von Werk­zeu­gen, um die Ren­di­te zu stei­gern. Da­zu ge­hört die Aus­wahl von Ein­zelak­ti­en, die Über­wa­chung des Mark­tes und die Re­ak­ti­on auf Ver­än­de­run­gen. Ziel ist es im­mer, den Markt zu schla­gen und ei­ne hö­he­re Ren­di­te zu er­wirt­schaf­ten. Ak­ti­ve Stra­te­gi­en sind an­spruchs­vol­ler und teu­rer, aber sie er­zie­len in der Re­gel bes­se­re Er­geb­nis­se. Teu­rer sind sie, weil es mehr zu tun gibt.

Die Au­to­ren des Bu­ches be­haup­ten nun zum einen, dass Ban­ken und Ver­si­che­run­gen 200 Mrd. Fran­ken mehr Ge­winn für die Ver­si­cher­ten hät­ten er­wirt­schaf­ten kön­nen, wenn sie seit dem In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes über die be­ruf­li­che Vor­sor­ge (BVG, 1985) min­des­tens 40% der Vor­sor­ge­gel­der pas­siv statt ak­tiv an­ge­legt hät­ten. Sie hät­ten das be­rech­net, be­haup­tet Sonn­tags­blick-Wirt­schafts­re­dak­tor Dan­ny Schlumpf. Da­bei gibt er aber nicht an, wer das be­rech­net hat, mit wel­chen Me­tho­den und mit wel­cher Da­ten­ba­sis.

Zwei­tens be­haup­ten sie, dass Ban­ken und Ver­si­che­run­gen dies nicht ta­ten, weil sie an ei­ner ak­ti­ven Be­wirt­schaf­tung mehr ver­die­nen, dass sie al­so ih­ren ei­ge­nen Pro­fit zu­las­ten der Ren­di­te der Ver­si­cher­ten stei­ger­ten.

Was ist dran, an die­sen Un­ter­stel­lun­gen?

Der ers­te lässt sich al­lei­ne schon da­durch ent­kräf­ten, dass es 1985 noch gar kei­ne pas­si­ven An­la­ge­pro­duk­te gab. Sie ent­stan­den erst spä­ter. Dass man sol­che Lö­sun­gen nicht durch­set­zen kann, be­vor sie über­haupt exis­tie­ren, müss­te selbst den Au­to­ren klar sein. Zu­dem war 1985 über­haupt noch nicht klar, ob ei­ne güns­ti­ge In­de­xie­rung der Pra­xis über­haupt funk­tio­niert. Schliess­lich wa­ren pas­si­ve Pro­duk­te frü­her auch we­ni­ger güns­tig. Man kann nicht die heu­ti­gen Kos­ten für pas­si­ve Pro­duk­te auf die letz­ten 35 Jah­re ap­pli­zie­ren, weil es sol­che Lö­sun­gen da­mals nicht gab. Hin­zu kom­men die oben ge­schil­der­ten of­fe­nen Fra­gen und ein zu­sätz­li­ches gros­ses Fra­ge­zei­chen, von wel­cher re­al er­wirt­schaf­te­ten Ren­di­te die Au­to­ren beim Ver­gleich aus­ge­hen.

Auch die zwei­te Un­ter­stel­lung ist nicht mehr als ei­ne Un­ter­stel­lung. Wie­viel Pro­fit bei ei­ner Bank oder Ver­si­che­rung nach dem Ab­zug der Lohn- und wei­te­rer Kos­ten für die ak­ti­ve Be­wirt­schaf­tung ei­nes An­la­ge-Port­fo­li­os wirk­lich hän­gen­bleibt, kann nie­mand wirk­lich sa­gen. Es wird zu­dem von Bank zu Bank und Ver­si­che­rung zu Ver­si­che­rung un­ter­schied­lich sein. Statt­des­sen zu be­haup­ten, dass je­de Ge­bühr sich oh­ne (Lohn- und an­de­re Kos­ten) di­rekt in Ge­winn um­wan­delt, ist nichts an­de­res als Pro­pa­gan­da-Rhe­to­rik, die an Ver­le­um­dung grenzt und ei­ner ge­nau­en Über­prü­fung nicht wird stand­hal­ten kön­nen.

Na­tür­lich ist man im Nach­hin­ein im­mer schlau­er. Hät­te man zum Bei­spiel sämt­li­che Vor­sor­ge­gel­der ab 1985 in die rich­ti­gen Ak­ti­en in­ves­tiert, hät­te ei­ne schier un­end­li­che Ren­di­te von vie­len Mil­li­ar­den mehr re­sul­tiert. Da­von ist in der heu­ti­gen Be­richt­er­stat­tung aber kei­ne Re­de. Nur weil man mit an­de­ren Lö­sun­gen mehr Geld ver­dient hät­te, kann des­halb kei­ne Ba­sis für die ge­nann­ten Un­ter­stel­lun­gen sein.

Zu gu­ter Letzt zu die­sem The­ma: Die Quit­tung für rein pas­si­ve Port­fo­li­os sieht man jetzt im Jahr 2022. Gut di­ver­si­fi­zier­te Pen­si­ons­kas­sen ver­lie­ren aufs Jahr rund 5 Pro­zent, tra­di­tio­nell pas­si­ve mit rund 15 Pro­zent drei Mal so viel. Die­se Dif­fe­renz von 10 Pro­zent macht einen gros­sen Un­ter­schied, auch lang­fris­tig.

Ne­ben den bei­den zen­tra­len Un­ter­stel­lun­gen ge­gen­über der Fi­nan­z­in­dus­trie wer­den aber auch Falsch­in­for­ma­tio­nen oder ir­re­füh­ren­de In­for­ma­tio­nen über Pen­si­ons­kas­sen im Ar­ti­kel ver­brei­tet. Da­zu nimmt der ASIP wie folgt Stel­lung.

Nein, die Kos­ten sind es nicht, die ei­ne Re­vi­si­on der zwei­ten Säu­le not­wen­dig ma­chen. Die Kos­ten der Ver­wal­tung von Pen­si­ons­kas­sen­gel­dern sind seit Jah­ren mehr als gut adres­siert und die Kos­ten ken­nen nur ei­ne Rich­tung: nach un­ten. Der ASIP-Kos­ten­ver­gleich be­weist das, weil man mit we­ni­ger als 0.5 Pro­zent Kos­ten pro Jahr schon sehr güns­tig un­ter­wegs ist. Zum Ver­gleich: wenn Sie für 100 Fran­ken Le­bens­mit­tel kau­fen, dann dür­fen Sie für die Trag­ta­sche 50 Rap­pen zah­len, um ein ana­lo­ges Ver­hält­nis bei den Kos­ten zu ha­ben. Zu­dem zei­gen die Kos­ten der gros­sen Pen­si­ons­kas­sen mit rund 0.2 Pro­zent, pro Jahr dass es gar nicht mög­lich ist, viel mehr ein­zu­spa­ren. Die Kos­ten­trans­pa­renz­quo­te liegt bei 99.7 Pro­zent.

An den Kos­ten liegt es al­so nicht. Das BVG braucht nur des­halb ei­ne Re­form, weil et­wa 14 Pro­zent der Ver­si­cher­ten nur mit dem Mi­ni­mum ver­si­chert sind und de­ren Pen­si­ons­kas­sen kei­nen wei­te­ren Spiel­raum ha­ben, um die ge­stie­ge­ne Le­bens­er­war­tung zu fi­nan­zie­ren, oh­ne Geld von den jün­ge­ren, noch be­rufs­tä­ti­gen Ge­ne­ra­tio­nen zu den Pen­sio­nier­ten um­zu­ver­tei­len. Wäh­rend dies für die gros­se Mehr­heit der Pen­si­ons­kas­sen kein Pro­blem dar­stellt, ist es den­noch not­wen­dig, auch für die klei­ne Min­der­heit von 14 Pro­zent ei­ne funk­tio­nie­ren­de Lö­sung zu fin­den. Das ist der wah­re Grund für den Re­form­be­darf. Und es ist auch der Grund, wes­halb der Vor­schlag des Bun­des­rats am Ziel vor­bei­schiesst und die Um­ver­tei­lung so­gar noch ver­grös­sert. Ein­zig der Vor­schlag des Na­tio­nal­rats löst das Pro­blem ge­nau dort, wo es über­haupt be­steht und kommt des­halb mit deut­lich ge­rin­ge­ren Kos­ten für die Ge­samt­be­völ­ke­rung und Un­ter­neh­men – vor al­lem KMU – aus.

Eben­falls falsch sind die Aus­sa­gen der bei­den Au­to­ren zum Zins, der den Ver­si­cher­ten gut­ge­schrie­ben wird. Kor­rekt ist, dass die Ver­si­cher­ten in der Re­gel deut­lich mehr als den Min­dest­zins er­hal­ten, wie wir hier (Link) schon ein­mal er­läu­tert ha­ben. Auch bei der Ver­zin­sung gilt: da­mit auch die BVG-na­he Min­der­heit von 14 Pro­zent in den Ge­nuss ei­ner bes­se­ren Ver­zin­sung kommt, braucht es ei­ne Re­form der zwei­ten Säu­le auf Grund­la­ge des na­tio­nal­rät­li­chen Vor­schlags bzw. des Mo­dells Mit­tel­weg/ASIP.

Es bleibt fest­zu­hal­ten: Das 3-Säu­len-Sys­tem der Schweiz gilt in­ter­na­tio­nal als vor­bild­lich, weil es die Ver­ant­wor­tung für die Vor­sor­ge auf meh­re­re Schul­tern ver­teilt (Staat, Un­ter­neh­men, Pri­vat). Es be­steht kein Grund dies zu än­dern, nur weil ei­ni­ge Ma­na­ger zu ho­he Kos­ten ver­rech­ne­ten. Schwar­ze Scha­fe gibt es über­all. Man stel­le sich nur vor, wie ris­kant es wä­re, we­ni­gen Per­so­nen ei­ner staat­li­chen Stel­le das gan­ze Geld an­zu­ver­trau­en. Die Trag­wei­te von An­la­ge­feh­lern wä­re enorm! Und wem möch­te man die Ver­ant­wor­tung für die Vor­sor­ge ei­nes gan­zen Lan­des über­ge­ben? Das ent­ste­hen­de Klum­pen­ri­si­ko wä­re für die Be­völ­ke­rung wirk­lich nicht zu­mut­bar.

Auch die Ge­set­ze sind we­der lasch noch die Auf­sicht schwach. An­de­re Län­der ha­ben en­ge­re Vor­ga­ben. Die Pen­si­ons­kas­sen dort ren­tie­ren viel schlech­ter. Für die Be­haup­tung, ei­ne stren­ge­re Re­gu­lie­rung füh­re zu ei­ner hö­he­ren Ren­di­te fehlt schlicht die Evi­denz. Es han­delt sich um ei­ne «wil­de Be­haup­tung» und um nicht mehr.

Die wah­ren Ab­sich­ten der Buch-Au­to­ren, von de­nen der ei­ne beim Blick, der an­de­re aber beim öf­fent­lich-recht­li­chen Fern­se­hen SRF an­ge­stellt ist, schei­nen of­fen­sicht­lich: mit Pro­pa­gan­da, ein­sei­ti­gen und halb­wah­ren Un­ter­stel­lun­gen Stim­mung ge­gen die zwei­te Säu­le ma­chen, um im Par­la­ment den Ge­werk­schaf­ten und lin­ken Par­tei­en mehr Ge­wicht zu ver­schaf­fen.

Ein In­diz hier­für ist, dass der ASIP bis am Frei­tag das Ge­spräch mit den Au­to­ren such­te, um je nach Buch-In­halt ei­ne Stel­lung­nah­me ab­neh­men zu kön­nen. Die­se Mög­lich­keit wur­de ihm ver­wei­gert, ge­nau­so wie man die Ver­tre­ter des ASIP im Un­kla­ren dar­über liess, ob der Sonn­tags­blick heu­te be­rich­ten wür­de. Statt­des­sen wur­de Di­rek­tor Han­spe­ter Kon­rad an den Ver­lag ver­wie­sen, der sich aber erst gar nicht zu­rück­mel­de­te.

Da­bei han­delt es sich um einen gro­ben Ver­sto­ss ge­gen die Re­geln der aus­ge­wo­ge­nen Be­richt­er­stat­tung. Nach Mei­nung des Schwei­ze­ri­schen Ver­bands der Pen­si­ons­kas­sen müss­te dies nun ein po­li­ti­sches Nach­spiel ha­ben.

Was das Buch an­geht, wird der ASIP die­ses mor­gen stu­die­ren und dann wei­te­re Stel­lung­nah­men prü­fen.

Wei­te­re Fak­ten­checks zu Fehl­in­for­ma­tio­nen über die zwei­te Säu­le fin­den Sie im ASIP-Fak­ten­check hier: 
https://bvgreform-faktencheck.asip.ch

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Stephan Hunziker • 1 Jahr, 6 Monate her

Vielen Dank für ihre guten Argumente und Richtigstellungen von sogenannten Fakten! 2 Ergänzungen hätte ich aber: - die Schwarzmalerei betreffend 2. Säule wird auch von rechter Seite betrieben, sodass das Vertrauen in die PK's aus meiner Sicht viel zu niedrig ist. - dass dieses Jahr aktive gegenüber passiven Anlagestrategien um 10 % besser abgeschnitten haben, ist doch auch etwas reisserisch und entspricht kaum der Realität. Die Kosten tief zu halten mit einer guten Anlagestrategie ist eine permanente Aufgabe und Teil des treuhänderischen Auftrags. Hier gibt es durchaus einige Vertreter mit überhöhten Gewinnabsichten.
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