13. Oktober 2022 15:42
Mindestzins – die Rendite per Verordnung
Weder der Bundesrat noch sonst eine Regierung oder Behörde kann eine Mindestrendite für Pensionskassen vorschreiben. Denn wie viel Zins die Anlagenmanager von Pensionskassen erwirtschaften können, hängt von viel zu vielen Faktoren ab, über die sie keine Kontrolle haben. Zum Beispiel von der wirtschaftlichen Lage, der Inflation usw. Dennoch tut der Bundesrat so, als ob er das könnte, indem er den Pensionskassen einen Mindestzins vorschreibt. Gestern wurde dieser wieder auf 1% festgelegt, trotz der schwierigen Finanzlage im Umfeld.
In der heutigen NZZ wird dies durch Hansueli Schöchli analysiert. Er hält dabei fest, woran die Pensionskassen jedes Mal erinnern müssen, wenn es in einem Jahr besonders gute Renditen gegeben hat: dass ein Teil davon zum Bilden von Reservenfür weniger gute Anlagejahre auf Seite gelegt werden muss. Heute können wir froh sein, dass die Pensionskassen sich nicht dem politischen Druck beugen, sondern vorausschauend planen und handeln.
Angesichts der derzeitigen Finanzlage der Pensionskassen scheint jede positive Mindestverzinsung eher offensiv zu sein. Gemessen an Branchenindizes dürften die zu Jahresbeginn hohen Reserven der Kassen wegen grosser Verluste an den Finanzmärkten bis heute im Durchschnitt weggeschmolzen sein.
Diese Einschätzung teilt auch Stephan Wyss, Pensionskassenexperte der Beratungsfirma Prevanto. Laut Wyss dürften bei den derzeitigen Bewertungen von Aktiven und Verpflichtungen etwa 40 Prozent der Kassen eine Finanzierungslücke haben.
Weshalb will also der Bundesrat trotzdem allen Kassen eine positive Mindestverzinsung vorschreiben? Die bequeme Antwort: Er folgt der Empfehlung der BVG-Kommission, einem Beratungsgremium, in dem die Sozialpartner, Branchenvertreter und externe Fachleute sitzen.
Auch dieses Gremium ist allerdings politisch gefärbt. Es benutzt zwar eine technische Formel als Basis, weicht aber oft davon ab – und dies eher nach oben als nach unten. Die Bandbreite der Vorschläge der einzelnen Kommissionsmitglieder für 2023 reichte von 0,25 bis 1,5 Prozent, die technische Formel hatte 0,45 Prozent angezeigt.
Es scheint so etwas wie ein politisches Zinsminimum von 1 Prozent zu geben. Frühere Formeln beruhten stark auf der Rendite der langfristigen Bundesobligationen; als sie unangenehm tiefe Ergebnisse auszuspucken begannen, beschloss die BVG-Kommission eine neue Formel. Diese berücksichtigte verstärkt andere Anlageklassen wie Aktien und versprach damit im Mittel höhere Werte.
Die neue Formel wird seit 2018 verwendet. Doch bisher lag die Empfehlung der Kommission in drei von fünf Fällen über dem Ergebnis der neuen Formel und nur einmal darunter. Und in jenen zwei Fällen, in denen die Kommission einen Mindestzins von unter 1 Prozent empfahl, legte der Bundesrat die Marke dennoch auf 1 Prozent fest.
Dabei wäre noch daran zu erinnern, dass es sich nur um einen MINDESTzins handelt. In allen Jahren, in denen die effektive Rendite deutlich darüber lag, haben die Pensionskassen dies bewiesen, indem sie deutlich höher verzinsten. Ein niedriger Mindstzins bedeutet eine bessere Absicherung gegenüber schlechten Renditen, aber er führt nicht automatisch zu einer schlechten Verzinsung.
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