Mindestzins , Performance , Reformen , Umwandlungssatz

4. Oktober 2022 16:40

Fol­gen stei­gen­der Zin­sen

Viel wur­de in letz­ter Zeit über die Fol­gen des Zins­ent­scheids der Na­tio­nal­bank ge­schrie­ben. Ver­su­chen wir, die wich­tigs­ten Fak­ten und Aus­sa­gen zu­sam­men­zu­fas­sen. 

Die Tagesschau berichtete am 24. September«Um­ver­tei­lung von Jung zu Alt dürf­te sich deut­lich re­du­zie­ren»

"Wenn die sta­bi­len Zin­sen län­ger­fris­tig auf die­sem Ni­veau sind, dürf­te sich die Um­ver­tei­lung von Jung zu Alt deut­lich re­du­zie­ren – viel­leicht so­gar zu ei­nem En­de kom­men.

... Schwei­zer Pen­si­ons­kas­sen ging es bis­her sehr gut. In den letz­ten zehn Jah­ren hat­ten wir ge­nau zwei Jah­re mit ei­ner Ne­ga­tivren­di­te. Das war 2018 und jetzt im ak­tu­el­len Jahr. Wir ha­ben die­ses Jahr un­ge­fähr so viel ver­lo­ren an den Ka­pi­tal­märk­ten, wie wir letz­tes Jahr als Er­trag ge­se­hen ha­ben. Al­so so ge­se­hen ist das aus­ge­gli­chen. ... Die Pen­si­ons­kas­sen schaf­fen sich Re­ser­ven ge­nau für sol­che Jah­re wie die­se."

Han­su­e­li Schöch­li schreibt ähn­lich po­si­tif am 3. Oktober in der NZZ, ein Zinsanstieg habe für Pensionskassen auch positive Seiten:

 

"Mit­tel­fris­tig wach­sen die Zins­er­trä­ge, und der Bar­wert der künf­ti­gen Ver­pflich­tun­gen sinkt. Die Kas­sen müs­sen künf­ti­ge Ver­pflich­tun­gen mit ei­nem «tech­ni­schen Zins» auf den Bar­wert zu­rück­rech­nen. Ei­ne Ren­ten­ver­pflich­tung von zum Bei­spiel 1000 Fran­ken in zehn Jah­ren er­gibt bei ei­nem tech­ni­schen Zins von 1,5 Pro­zent einen ak­tu­el­len Pas­siv­pos­ten in der Bi­lanz von rund 860 Fran­ken, bei ei­nem Zins von 2,5 Pro­zent sind es nur noch 780 Fran­ken. 2021 rech­ne­ten die pri­vat­recht­li­chen Kas­sen im Mit­tel mit ei­nem tech­ni­schen Zins von et­wa 1,6 Pro­zent. Die Schwei­ze­ri­sche Kam­mer der Pen­si­ons­kas­sen­ex­per­ten hat nun per An­fang Ok­to­ber in ih­ren Emp­feh­lun­gen die Ober­gren­ze auf knapp 3 Pro­zent er­höht; ein Jahr zu­vor lag die Ober­gren­ze bei knapp 2,2 Pro­zent. Mit der Er­hö­hung des tech­ni­sches Zin­ses könn­ten die Kas­sen in der Bi­lanz per Jah­res­en­de we­nigs­tens einen Teil der ho­hen Markt­ver­lus­te kom­pen­sie­ren."

Am glei­chen Tag be­rich­tet der Tages-Anzeiger je­doch über ein "Schlech­tes Jahr für Vor­sor­ge: Ver­si­cher­te ver­lie­ren un­ge­wöhn­lich viel Geld in der Pen­si­ons­kas­se":

"Es ist kein gu­tes Jahr für die Pen­si­ons­kas­sen. Ukrai­ne-Krieg, Ener­gie­kri­se und ho­he In­fla­ti­on be­las­ten die be­ruf­li­che Vor­sor­ge. Sie schla­gen auf die Ren­di­te und da­mit auf die Ver­zin­sung der Al­ter­ss­par­gut­ha­ben der Ver­si­cher­ten. «Vie­le Vor­sor­ge­ein­rich­tun­gen dürf­ten die Zin­sen auf ein Mi­ni­mum be­schrän­ken», sagt Mar­co Jost, Pen­si­ons­kas­sen­ex­per­te bei der Be­ra­te­rin PP­C­me­trics. An­de­re Fach­leu­te tei­len die­se Ein­schät­zung. Auf­grund der ho­hen In­fla­ti­on wer­den die Ver­si­cher­ten gleich dop­pelt be­straft. Denn ne­ben dem tiefe­ren Ka­pi­tal­er­trag auf ih­rem Spar­gut­ha­ben schlägt auch die ho­he Teue­rung ne­ga­tiv zu Bu­che. Im Au­gust lag die­se im Ver­gleich zum Vor­jah­res­mo­nat bei 3,5 Pro­zent. Das be­deu­tet, dass man mit Geld ent­spre­chend we­ni­ger kau­fen kann. Auch die Al­ter­ss­par­gut­ha­ben in den Pen­si­ons­kas­sen ver­lie­ren so re­al an Wert. 

Un­ge­wöhn­lich ist, dass die­ses Jahr die Ver­zin­sung nicht mehr aus­reicht, um die Teue­rung wettz­u­ma­chen. «Auf­grund der an­hal­tend tie­fen Teue­rung sind die Ver­si­cher­ten in den ver­gan­ge­nen Jah­ren selbst bei tie­fen Zin­sen im­mer gut weg­ge­kom­men», er­läu­tert Jost. Re­al ist ihr Al­ter­ss­par­gut­ha­ben al­so ste­tig ge­wach­sen.

Zu­dem wird die­ses Jahr die gol­de­ne Re­gel der Pen­si­ons­kas­sen ge­bro­chen, die schon bei der Ein­füh­rung der be­ruf­li­chen Vor­sor­ge in den 1980er-Jah­ren de­fi­niert wor­den ist: Sie sieht die Fort­füh­rung des bis­he­ri­gen Le­bens­stan­dards vor. Das wird so ver­stan­den, dass die Teue­rung aus­ge­gli­chen wird.  Wenn die Ver­zin­sung län­ge­re Zeit un­ter der Teue­rung liegt, braucht es Kor­rek­tur­mass­nah­men, wenn die Fort­füh­rung des bis­he­ri­gen Le­bens­stan­dards mit den Ren­ten aus ers­ter und zwei­ter Säu­le mög­lich blei­ben soll.

Lang­fris­tig be­steht laut Chri­stoph Ry­ter, Ge­schäfts­lei­ter der Mi­gros-Pen­si­ons­kas­se, kein Grund zur Sor­ge. Er ver­weist auf Er­fah­rungs­wer­te aus der Ver­gan­gen­heit, ge­mä­ss de­nen Ver­si­cher­te in der be­ruf­li­chen Vor­sor­ge über einen grös­se­ren Zeit­raum mit ei­nem rea­len Er­trags­über­schuss von mehr als ei­nem Pro­zent rech­nen kön­nen. 

Kern des Pro­blems

Ry­ter warnt al­ler­dings da­vor, in der po­li­ti­schen Dis­kus­si­on die Zü­gel lo­cker zu las­sen. Er be­tont, dass der Um­wand­lungs­satz der Kern des Pro­blems sei. Der Um­wand­lungs­satz be­stimmt, wie viel Ren­te bei ei­nem be­stimm­ten Al­ter­spar­gut­ha­ben jähr­lich aus­be­zahlt wird. Nach ein­hel­li­ger Mei­nung der meis­ten Fach­leu­te ist er mit 6,8 Pro­zent deut­lich zu hoch an­ge­setzt.

Das sorgt ei­ner­seits für ei­ne Um­ver­tei­lung in Mil­li­ar­den­hö­he von jung zu alt, weil die ge­setz­lich ga­ran­tier­ten Ren­ten der Pen­sio­nier­ten fi­nan­ziert wer­den müs­sen. An­de­rer­seits ste­hen den Pen­si­ons­kas­sen we­ni­ger Mit­tel zur Ver­fü­gung, um, wie im lau­fen­den Jahr, die Teue­rung aus­zu­glei­chen."

Fa­zit: Auch wenn es durch­aus po­si­ti­ve Aspek­te des Zins­an­stiegs gibt, än­dert dies nichts dar­an, dass die Pa­ra­me­ter der zwei­ten Säu­le an die wei­ter­hin stei­gen­de Le­bens­er­war­tung an­ge­passt wer­den müs­sen, denn auch die­se sind re­le­vant für das, was die Pen­si­ons­kas­sen an Ren­ten aus­be­zah­len kön­nen – zu­min­dest was die Pen­si­ons­kas­sen der14 Pro­zent ver­si­cher­ten be­trifft, die nur mit un­ge­fähr dem ge­setz­li­chen Mi­ni­mum ver­si­chert sind. Die­se brau­chen ei­ne Re­form der zwei­ten Säu­le. (86 Pro­zent brau­chen kei­ne Re­form und wä­ren von die­ser auch nur dann be­trof­fen, wenn sich die Vor­schlä­ge durch­set­zen, die die ak­tu­el­le Um­ver­tei­lung durch ei­ne neue, noch schlim­me­re er­set­zen wol­len.)

 

Quelle: http://www.leitzinsen.info/schweiz.htm

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