Reformen , Umwandlungssatz , ASIP Faktenchecks

4. Juli 2022 18:06

Tiefer Lohn heisst nicht im­mer tie­fe Ren­te

In der lau­fen­den De­bat­te zur Re­form der zwei­ten Säu­le gibt es Be­stre­bun­gen sei­tens ein­zel­ner Po­li­ti­ker, die Aus­gleichs­zah­lun­gen für po­ten­ti­el­le BVG-Ren­ten­ver­lus­te vom AHV-Lohn ab­hän­gig zu ma­chen. Die­se Ver­lus­te könn­te es bei den letz­ten 10 Jahr­gän­gen vor der Pen­sio­nie­rung ab der Sen­kung des BVG-Min­dest-Um­wand­lungs­sat­zes ge­ben. Aus­gleichs­zah­lun­gen wer­den dies ver­hin­dern. Die Dis­kus­si­on dreht sich um die Fra­ge, wie die­se fi­nan­ziert wer­den sol­len. In den Zei­tun­gen von CH Me­dia er­läu­tert An­na Wan­ner ein­drück­lich, warum es ein Feh­ler wä­re, die Be­rech­ti­gung für und Hö­he der Aus­gleichs­zah­lun­gen an den AHV-Lohn zu knüp­fen. Kurz zu­sam­men­ge­fasst gibt es Ar­beit­ge­ber, die ih­re An­ge­stell­ten auch bei tie­fen Löh­nen so gut in der be­ruf­li­chen Vor­sor­ge ver­si­chern, dass die­se von der Re­form gar nicht be­trof­fen sein wer­den. Dann braucht es aber auch kei­ne Aus­gleichs­zah­lun­gen, die von an­de­ren Ar­beit­neh­mern be­zahlt wer­den müss­ten. Bei­spiel: die Mi­gros. 

Po­li­ti­ker sor­gen sich um die Ren­te der Mi­gros-Ver­käu­fe­rin – doch ja­gen sie ein Phan­tom

Der Streit um die Aus­ge­stal­tung der Pen­si­ons­kas­sen­re­form geht in die nächs­te Run­de. Mit­ten­drin: Ei­ne Mi­gros-Ver­käu­fe­rin.

Die So­zi­al­kom­mis­si­on des Stän­de­rats ist ge­ra­de dar­an, die Scher­ben der Som­mer­ses­si­on zu­sam­men­zu­le­sen. (...)

Das Ziel der Re­form

Die Fra­ge der Kom­pen­sa­ti­on ist höchst um­strit­ten. Bun­des­rat, So­zi­al­part­ner so­wie Grü­ne und SP fin­den, al­le Ver­si­cher­ten sol­len einen Zu­stupf er­hal­ten. Stei­gen­de Le­bens­er­war­tung und tie­fe An­la­ge­ren­di­ten füh­ren in der be­ruf­li­chen Vor­sor­ge seit Jah­ren da­zu, dass ein ge­rin­ge­res Al­ters­gut­ha­ben für län­ge­re Zeit rei­chen muss. Das be­deu­tet: Die Pen­si­ons­kas­sen sen­ken den Um­wand­lungs­satz und weil die­ser die Ren­ten­hö­he be­stimmt, sinkt auch die Ren­te.

Das ist die Theo­rie. In der Pra­xis ha­ben vie­le Pen­si­ons­kas­sen ver­sucht, die Ren­ten­ein­bus­sen aus­zu­glei­chen. Auch des­halb setz­te sich im Na­tio­nal­rat ein an­de­res Mo­dell durch. Nur je­ne Ver­si­cher­ten sol­len in den Ge­nuss ei­nes Ren­ten­zu­schlags kom­men, die auch tat­säch­lich von der Re­form be­trof­fen sind. Und das sind al­le Per­so­nen, die ob­li­ga­to­risch ver­si­chert sind, et­wa 14 Pro­zent. (...)

Das Ver­käu­fe­rin­nen-Pa­ra­dox

(...) Die Vor­sor­ge­plä­ne der Pen­si­ons­kas­sen un­ter­schei­den sich stark. So er­hal­ten Per­so­nen mit tie­fen Löh­nen von gross­zü­gi­gen Ar­beit­ge­bern mehr Mög­lich­kei­ten, ein Al­ters­gut­ha­ben an­zu­spa­ren und fal­len aus den Min­dest­be­stim­mun­gen her­aus. Das ist für die Ren­te in der Re­gel ein Vor­teil. (...)

Tat­säch­lich för­dert die Mi­gros-Pen­si­ons­kas­se das Spa­ren auch für tiefe­re Ein­kom­men: Sie ver­si­chert für die­se 70 Pro­zent des AHV-Loh­nes, wen­det al­so einen Ko­or­di­na­ti­ons­ab­zug von 30 Pro­zent an, das Al­ter­ss­pa­ren be­ginnt ab 20 Jah­ren und die Ar­beit­ge­be­rin zahlt 2/3 der Bei­trä­ge. Das führt da­zu, dass ei­ne Ver­käu­fe­rin, die ab 25-jäh­rig mehr­heit­lich Voll­zeit ar­bei­tet, jähr­lich 58’000 Fran­ken ver­dient und mit 64 or­dent­lich in Pen­si­on geht, ein Al­ters­gut­ha­ben von über 481’000 Fran­ken an­ge­spart hat und ei­ne Jah­res­ren­te von gut 26'000 Fran­ken er­hält. Zu­sam­men mit der vor­aus­sicht­li­chen AHV-Ren­te für ei­ne Ein­zel­per­son von knapp 24’200 kommt sie auf Al­ters­leis­tun­gen von über 86 Pro­zent ih­res Brut­to­loh­nes.

«Je­mand muss die Ren­ten­zu­schlä­ge ge­mä­ss dem Vor­schlag Ditt­li zah­len»

Chri­stoph Ry­ter, Chef der Mi­gros-Pen­si­ons­kas­se, sagt da­zu: «Für die Mit­ar­bei­ten­den ha­ben wir stets ver­sucht, das Ren­ten­ni­veau zu er­hal­ten.» Und: «Ei­ne An­pas­sung des Min­de­stum­wand­lungs­sat­zes tan­giert un­se­re Mit­ar­bei­ter nicht, weil sie im Über­ob­li­ga­to­ri­um ver­si­chert sind.» Ry­ter, der frü­her den Pen­si­ons­kas­sen­ver­band ASIP führ­te, ist des­halb de­zi­diert der Mei­nung: «Die Re­form muss sich auf den Kreis be­schrän­ken, der von ei­ner Sen­kung des BVG-Min­de­stum­wand­lungs­sat­zes be­trof­fen ist und ei­ne wei­te­re Um­ver­tei­lung mög­lichst re­du­zie­ren.»

Na­tür­lich lässt sich ar­gu­men­tie­ren, die Mi­gros-Mit­ar­bei­ten­den wür­den sich eben­falls über einen Zu­stupf an ih­re Ren­te freu­en. Doch Ry­ter ent­geg­net: «Die Mi­gros-Pen­si­ons­kas­se hat in den letz­ten Jah­ren und Jahr­zehn­ten An­pas­sun­gen ge­macht, da­mit Ver­si­cher­te mehr Al­ters­gut­ha­ben spa­ren kön­nen und auch bei tiefe­ren Um­wand­lungs­sät­zen auf gu­te Al­ters­leis­tun­gen kom­men.» Sie hat das Rück­tritts­al­ter von ur­sprüng­lich 62 Jah­ren bis 2005 auf 64 Jah­re er­höht und den Spar­be­ginn von 25 auf 20 Jah­re ge­senkt, al­so den Spar­pro­zess in bei­de Rich­tun­gen ver­län­gert. Ry­ter ist über­zeugt, die Mi­gros-Mit­ar­bei­ten­den hät­ten ih­ren Bei­trag ge­leis­tet, um die län­ge­re Le­bens­er­war­tung und den län­ge­ren Ren­ten­be­zug auf­zu­fan­gen. «Sie müs­sen jetzt nicht die Fi­nan­zie­rungs-Lücke an­de­rer Pen­si­ons­kas­sen oder über­trie­be­ne Zu­schlä­ge, wel­che so­zi­al­po­li­tisch gar nicht be­nö­tigt wer­den, be­glei­chen.» Denn ei­nes ist für Ry­ter klar: «Je­mand muss die Ren­ten­zu­schlä­ge ge­mä­ss dem Vor­schlag Ditt­li zah­len.» Und im Sys­tem der be­ruf­li­chen Vor­sor­ge sind das im Um­la­ge­ver­fah­ren die ak­ti­ven Er­werbs­tä­ti­gen, auch die Mi­gros-Ver­käu­fe­rin­nen.

(...)

SVP-Stän­de­rat Alex Ku­precht hält die­ses Vor­ge­hen je­doch für falsch. «Nicht das Ein­kom­men ist ent­schei­dend, son­dern das Al­ters­ka­pi­tal», sagt der So­zi­al­po­li­ti­ker. Die Be­rech­nun­gen des Vor­schlags Ditt­li zeig­ten nun «son­nen­klar», dass es so in je­dem Fall zu ei­ner Über­kom­pen­sa­ti­on kom­me. Ku­precht er­in­nert des­halb an die Auf­ga­be der Re­form: «Wir wol­len das Ren­ten­ni­veau er­hal­ten, nicht aus­bau­en.» Er setzt sich des­halb auch im Stän­de­rat für das Mo­dell Na­tio­nal­rat ein. Wer wird sich durch­set­zen? Und wird der Rat im zwei­ten An­lauf fol­gen? Klar­heit dar­über wird es erst im Sep­tem­ber ge­ben.

Quel­le und Ar­ti­kel: 
https://www.tagblatt.ch/schweiz/berufliche-vorsorge-politiker-sorgen-sich-um-die-rente-der-migros-verkaeuferin-doch-jagen-sie-ein-phantom-ld.2311353

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