ASIP-Stellungnahmen , Reformen , ASIP Faktenchecks
24. Juni 2021 11:30
Faktencheck: Blick lässt Gegner der zweiten Säule zu Wort kommen
Der Blick nimmt heute Bezug auf die BVG-Reform BVG21. Er zitiert dabei vor allem einzelne Parlamentarier, die gegen das ASIP-/Mittelweg-Modell und für die neue, unnötig teure und ungerechte Umverteilung des Bundesratsvorschlags sind. Informationen aus einem längeren Interview mit dem Direktor des ASIP blieben weitgehend unberücksichtigt.
Auto Ruedi Studer schreibt, "ab Donnerstag streiten sich die Nationalrätinnen und Nationalräte in der Sozialkommission darüber, wie es mit den Pensionskassen weitergehen soll. Das Thema ist komplex. Dutzende Änderungsanträge liegen vor, es geht um zusätzliche Lohnbeiträge, eine breiter versicherte Lohnsumme, die Senkung des Umwandlungssatzes und um die Finanzierung von Ausgleichsmassnahmen.
Letztere sind das eigentliche Herzstück. Denn sinkt der Umwandlungssatz von 6,8 auf 6,0 Prozent, bekommt man pro 100'000 Franken Altersguthaben nur noch 6000 statt 6800 Franken im Jahr. Eine Rentenkürzung um satte 12 Prozent!“
Diese Aussage ist falsch.
Die Reform sieht ausdrücklich vor, dass es keine Rentenkürzung geben wird. Korrekt wäre: "Eine rein rechnerische Rentenkürzung um satte 12 Prozent wäre theoretisch die Folge!“ Dann aber geht es korrekt weiter: "Dieses Minus will die Politik ausgleichen. Der Bundesrat schlägt als Kernstück einen Rentenzuschlag vor. Eine Übergangsgeneration von 15 Jahren erhielte je nach Zeitpunkt der Pensionierung 100 bis 200 Franken monatlich, danach wird der Zuschlag variabel ausgestaltet. Finanziert wird er über zusätzliche 0,5 Lohnprozent. Das bedeutet eine gewisse Umverteilung von Besserverdienenden zu Tieflöhnern. Eine Art Mini-AHV."
Auch diese Aussage ist falsch. Denn die neue Umverteilung geht vor allem zulasten der Jungen.
Im Modell des Bundesrates würden auch Besserverdienende von der Umverteilung profitieren, sofern sie weniger als 10 Jahre vor der Pension stehen und Löhne von über 80’000 Franken im Jahr verdienen. Korrekt wäre zu schreiben: die Umverteilung geht zulasten der Jungen, die für den Rest Ihrer Arbeitszeit 0.5 Lohnprozente aufwenden müssen. Ihr Beitrag an die neue Umverteilung wäre deshalb am grössten.
"Der Bundesrat setzt dabei auf den «Sozialpartner-Kompromiss», den Arbeitgeber zusammen mit den Gewerkschaften geschmiedet haben. Die bürgerlichen Parteien liefen lange dagegen Sturm. «Wir lehnen diesen Umverteilungsmechanismus ab», sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (42). «Anders als bei der AHV, der 1. Säule, spart bei der 2. Säule jeder für sich selber.»
Stattdessen liebäugelten die Bürgerlichen mit dem «Mittelweg»-Modell, das verschiedene Branchenverbände und der Pensionskassenverband Asip in die Debatte einbrachten. Die Idee: Jede Kasse schaut für sich selbst und finanziert während zehn Jahren über ihre Rückstellungen selber eine Kompensation. Der erste Pensionierten-Jahrgang bekäme einen einmaligen Zuschlag von 13 Prozent auf sein obligatorisches BVG-Altersguthaben. Danach würde der Zuschlag jedes Jahr um 1,3 Prozent bis auf null sinken. Fast alle Kassen würden über genügend Rückstellungen verfügen, beteuert der Verband. Weniger als drei Prozent müssten dies aus der laufenden Rechnung finanzieren. Dem Vernehmen nach beantragt die SVP die Umsetzung dieses Modells."
Mittlerweile soll die Unterstützung für die Idee im bürgerlichen Lager laut Ruedi Studer bröckeln. Davon spürt der ASIP jedoch nichts beziehungsweise erachtet diese Darstellung als übertrieben, denn im Rest des Artikels kommen nun nur noch Kritiker zu Wort, aber nicht mehr die vielen Befürworter.
"«Man muss sich fragen, wem diese Reserven gehören, wo sie tatsächlich vorhanden sind und wie weit sie reichen, um das Rentenniveau zu halten», sagt Mitte-Nationalrat Christian Lohr (59, TG). Es brauche eine Lösung, die auch für die KMU-Wirtschaft finanzierbar sei. «Gewisse Kassen machen es sich da zu einfach.»"
Diese Frage hätte man nur dem ASIP stellen müssen. Die Antwort ist eindeutig: die Reserven gehören den Versicherten und sie wurden extra für solche Pensionierungsverluste gebildet, wie sie nun entstehen, wenn der BVG-Mindest-Umwandlungssatz auf 6% gesenkt wird. Genau für solche Fälle wurden sie geschaffen – und sind auch bei mindestens 97% aller Pensionskassen geäufnet. Es ist deshalb gar keine Frage, ob sie für Kompensationsmassnahmen innerhalb der Reform verwendet werden können. Nach Meinung des ASIP müssen sie das sogar.
"Für FDP-Nationalrätin Regine Sauter (55, ZH) ist klar: «Es braucht eine gewisse Solidarität unter den Pensionskassen.» Beim Asip-Modell habe man ihr noch nicht schlüssig aufzeigen können, dass dessen dezentraler Ansatz funktionieren könne. «Es muss sichergestellt sein, dass der Ausgleichsmechanismus für mehr als nur ein paar Jahre wirkt.»"
Beim ASIP wundert man sich über solche Äusserungen. Frau Sauter hätte nur nachfragen müssen, dann hätte man ihr schlüssig aufzeigen können, dass ein dezentraler Ansatz viel einfacher umzusetzen ist, als das Bürokratiemonster, das für die Umsetzung des Bundesratsmodells gebraucht würde. Zudem hätte man ihr zeigen können, dass der Ausgleichsmechanismus sogar über die 10 Jahre hinaus funktionieren würde, die notwendig wären. Wer nicht glaubt, dass die Pensionskassen über ausreichend Rückstellungen verfügen, muss nur einen Blick in deren Bilanzen werfen, auch bei denen der Lebensversicherer. Dort kann man es schwarz auf weiss nachlesen.
"Die Zweifel sind gross, ob sich die Reform tatsächlich so einfach via Rückstellungen finanzieren lässt. «Das System wird destabilisiert. Besonders Kassen nahe am BVG-Obligatorium werden in Schwierigkeiten geraten», sagt Gabriela Medici (35) vom Gewerkschaftsbund. Dann brauche es einen Auffangschirm, oder Arbeitgeber und Arbeitnehmende müssten tiefer in die Tasche greifen."
Diese Aussage ist falsch.
Die wenigen Ausnahmen ohne Rückstellungen müssen den zu hohen Umwandlungssatz zwingend direkt heute schon mit Zusatzbeiträgen querfinanzieren. Wird jetzt der Umwandlungssatz reduziert, entlastet dies die Pensionskassen sofort, indem sie einerseits bestehende Rückstellungen auflösen können und andererseits künftig nicht mehr in gleichem Ausmass zusätzliche Rückstellungen bilden müssen respektive die Zusatzbeiträge reduzieren können. Auch hier ist das Rückstellungsmodell das günstigere und gerechtere. Das System wird durch den Mittelweg also ganz eindeutig stabilisiert und nicht destabilisiert, wie die Gegner der zweiten Säule behaupten. Im Unterschied dazu führt das Bundesratsmodell mit seiner massiven, unnötig teuren und ungerechten Vergrösserung der Umverteilung zulasten der Jungen mittel- bis langfristig auf jeden Fall zu einer Destabilisierung – ein altes Ziel der Gewerkschaften, die die zweite Säule am liebsten in die AHV integrieren möchten. Wer für die zweite Säule einsteht, unterstützt deshalb den Mittelweg. Nur dieser kann die Ziel der Reform erreichen und die zweite Säule stabilisieren.
Was der Autor unterschlagen oder stark verkürzt wiedergegeben hat, sind die Informationen aus den folgenden Antworten an den Journalisten:
Der grosse Vorteil des Rückstellungsmodells besteht darin, dass es nur halb so viel kostet wie das Bundesrats-Modell. Die Umverteilung wird effektiv reduziert, statt massiv auf Kosten der Jungen ausgebaut. Demgegenüber ist der Vorschlag des Bundesrats unnötig teuer und ungerecht.
Deshalb wird dieser Mittelweg auch von zahlreichen und namhaften Arbeitgeber- (wie zum Beispiel Baumeister, GastroSuisse, Arbeitgeber Banken, Swiss Retail Federation oder Bauernverband) und Arbeitnehmerorganisationen (darunter die plattform, u.a. KV Schweiz) unterstützt. Zudem kommen mit unserem Vorschlag auch die tieferen Löhne in den Genuss einer zweiten Säule.
Beim Bundesratsmodell bekommen hohe Einkommen sogar noch einen Rentenzuschlag, obwohl sie diesen gar nicht benötigen. Diese unnötige Umverteilung von den Jungen zu den Besserverdienenden ist mit ein Grund dafür, dass das Bundesratsmodell so teuer und ungerecht ist.
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Martin Wagner • 3 Jahre, 4 Monate her