19. März 2021 12:00
«Rentenalter wurde fast nie erreicht»
In einem Plädoyer für ein flexibles Rentenalter beleuchtet Finanz und Wirtschaft die Geschichte des starren Rentenalters. Zum Zeitpunkt seiner Einführung lag das Rentenalter deutlich oberhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung zur damaligen Zeit.
«Wir werden uns in Zukunft deshalb wohl oder übel vom starren Pensionsalter 65 verabschieden müssen. Geschichtlich betrachtet ist diese heute fast als Naturrecht betrachtete Altersgrenze eigentlich Zufall. Sie stammt aus Deutschland, wo Bismarck in den Jahren 1883 bis 1889 erstmals eine Altersversicherung für Arbeiter einführte. Allerdings wurde das Pensionsalter ursprünglich auf 70 Jahre festgelegt. Dieses Alter sorgte dafür, dass die Rente fast nie ausbezahlt werden musste. Ein Arbeiter schuftete damals noch 60 Stunden pro Woche und starb im Normalfall lange vor dem Erreichen des siebzigsten Altersjahrs.
Die Finanzierung wurde demzufolge erst zu einem Thema während des ersten Weltkrieges, als das Rentenalter auf 65 gesenkt wurde und auch Angestellte ein Anrecht auf Rente bekamen. Trotzdem schaffte man es in der Folge, am Rentenalter von 65 festzuhalten, und erst seit 2012 wird das Rentenalter mit langen Übergangsfristen sukzessive auf 67 Jahre angehoben. In der Schweiz wurde das Rentenalter von 65 Jahren bei der Einführung der AHV im Jahre 1948 übernommen, wobei das Alter für Frauen dann später in den 1960er-Jahren sogar auf 62 gesenkt wurde.»
Im Rahmen der laufenden AHV-Reform soll nun das Rentenalter für Frauen wieder auf 65 erhöht werden. Die politische Linke lehnt dies ab, «solange keine Lohngleichheit besteht». Dafür erntet sie allerdings Kritik seitens bürgerlicher Jungpolitiker. Für Matthias Müller zum Beispiel, Präsident der Jungfreisinnigen, ist laut 20 Minuten der Widerstand «heuchlerisch»: «Selbsternannte Feministinnen und Feministen fordern Lohngleichheit, lehnen die wichtige Gleichbehandlung bei der AHV aber ab.»
SVP-Ständerat Hannes Germann hat laut 20 Minuten ebenfalls kein Verständnis für diese Haltung: «Wir können keine AHV-Reform machen, wenn Links-Grün die Gleichstellung von Mann und Frau in diesem Punkt kategorisch ablehnen.» Die fehlende Lohngleichheit müsse dabei als Ausrede herhalten: «Erstens ist die Lohngleichheit bereits in weiten Teilen sichergestellt. Und zweitens ist die AHV ein Sozialwerk, ein Generationenvertrag, der nichts mit Lohngleichheit zu tun hat.» Dass Feministinnen überall Gleichstellung forderten, nicht aber beim AHV-Alter, ist für Germann «Rosinenpickerei».
Man darf gespannt sein, wie die Debatte weitergeht. Auch der ASIP sieht in seinem Vorschlag zur BVG-Revision eine Gleichstellung von Mann und Frau beim Rentenalter vor.
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