Reformen

17. März 2021 12:00

«Sonst be­zah­len es die Jun­gen»

In ver­schie­de­nen Re­gio­nal­zei­tun­gen gab es heu­te einen le­sen­wer­ten Kom­men­tar von Lu­ci­en Flu­ri zur bzw. ei­ne Ana­ly­se der ge­plan­ten Er­hö­hung des Frau­en­ren­ten­al­ters auf 65 Jah­re. Er ver­tritt den Stand­punkt, dass die Ren­ten­alt­er­hö­hung auf 65 einen lo­gi­schen Zwi­schen­schritt dar­stellt, «bis der­einst das Ren­ten­al­ter für al­le er­höht wer­den muss. Dies müss­te ei­gent­lich son­nen­klar sein, wenn man die AHV mit nüch­ter­nem Blick be­trach­tet. Fi­nan­zier­ten einst 6,5 Er­werbs­tä­ti­ge ei­ne Ren­te, wer­den es in 30 Jah­ren noch zwei sein. Die Leu­te, ge­ra­de die Frau­en, wer­den im­mer äl­ter – und das Fi­nan­zie­rungs­loch grös­ser. Man kann die Zah­len nicht schön­re­den.»

So klar sei es dann aber den­noch nicht, dass es jetzt ge­ra­de die Frau­en tref­fen muss. «Denn bei der Volks­ab­stim­mung, die in die­sem Ge­schäft der­einst ge­won­nen wer­den muss, wird es nur um ei­ne Fra­ge ge­hen: Wird der Vor­schlag als ge­recht emp­fun­den? Und da gibt es durch­aus Ar­gu­men­te, die ge­gen ei­ne Er­hö­hung des Frau­en­ren­ten­al­ters spre­chen: Bei der zwei­ten Säu­le fah­ren die Frau­en schlecht. Teil­zeit- und Be­treu­ungs­ar­beit wird zu we­nig ent­gol­ten. Lohn­gleich­heit fehlt, die Ver­ein­bar­keit von Fa­mi­lie und Be­ruf hängt vom Wohn­ort ab. Es ha­pert noch zu fest bei der Gleich­be­rech­ti­gung.»

Die Aus­sa­ge zur zwei­ten Säu­le darf nicht un­wi­der­spro­chen blei­ben. Dass re­la­tiv ge­se­hen we­ni­ger Frau­en in den Ge­nuss ei­ner zwei­ten Säu­le kom­men, liegt nicht an der zwei­ten Säu­le, wie man auf­grund der For­mu­lie­rung mei­nen könn­te, son­dern dar­an, dass sie oft Teil­zeit ar­bei­ten und Bei­trags­lücken auf­grund von Mut­ter­schaft auf­wei­sen. Das mag als un­ge­recht emp­fun­den wer­den, hat je­doch mehr mit der Rol­len­ver­tei­lung im All­tag zu tun, die nichts mit der zwei­ten Säu­le zu tun hat. 

Ein­zig das Kon­strukt des Ko­or­di­na­ti­ons­ab­zugs könn­te man ver­ant­wort­lich ma­chen, ei­ne Schwel­le, die nach dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers ei­ne Dop­pel­ver­si­che­rung bei AHV und BVG und Lohn­ab­zü­ge ge­ra­de bei nied­ri­gen Löh­nen ver­mei­den soll. Sämt­li­che Re­form­vor­schlä­ge im Zu­sam­men­hang mit der BV­G21 se­hen al­ler­dings ei­ne Re­duk­ti­on des Ko­or­di­na­ti­ons­ab­zugs vor, so dass auch Teil­zeit­ar­bei­ten­de – und da­mit ins­be­son­de­re Frau­en – eher in den Ge­nuss ei­ner zwei­ten Säu­le kom­men wer­den. Sie und ih­re Ar­beit­ge­ber müs­sen dann aber auch ent­spre­chen­de Sp­ar­bei­trä­ge in Form von Lohn­ab­zü­gen leis­ten. Die­ses Geld ist nicht ver­lo­ren, weil es der Fi­nan­zie­rung der spä­te­ren Ren­te dient, aber es steht wäh­rend des Ar­beits­le­bens nicht für Aus­ga­ben zur Ver­fü­gung. Die ge­plan­te Sen­kung des Ko­or­di­na­ti­ons­ab­zugs ist des­halb nicht ganz un­um­strit­ten, ins­be­son­de­re de­ren Hö­he. 

Herr Flu­ri führt wei­ter aus, dass die Sa­nie­rung der AHV nicht auf dem Bu­ckel der Frau­en ge­sch­ehe, denn auch ei­ne Mehr­wert­steu­er­er­hö­hung sei Teil der Re­form, an die al­le be­zah­len.

«Den­noch wird die Frau­en­fra­ge im Zen­trum der Ab­stim­mung ste­hen. Und ob das Ge­samt­pa­ket als ge­recht emp­fun­den wird, hängt nun ein­mal von den Kom­pen­sa­ti­ons­mass­nah­men ab. Dies hat die Lin­ke er­kannt. Sie hält der­zeit ein Pfand in der Hand und ver­sucht, mög­lichst viel her­aus­zu­ho­len. Dies ist zwar po­pu­lis­tisch – und al­les an­de­re als im Sinn der Sa­che. Es ge­hört aber zum po­li­ti­schen Spiel. Es wird erst en­den, wenn ein trag­ba­rer Kom­pro­miss vor­liegt. Die vor­be­rei­ten­de Kom­mis­si­on hat hier zu we­nig Vor­ar­beit ge­leis­tet. Das Re­sul­tat fiel ent­spre­chend aus: Die Aus­gleichs­mass­nah­men sind zu tief – und wohl kaum mehr­heits­fä­hig. ... Ob die Kom­pen­sa­ti­on nun 400 oder 700 Mil­lio­nen be­trägt, ist nicht mat­chent­schei­dend. Es geht dar­um, nicht wei­te­re Jah­re zu ver­lie­ren. Denn sonst droht ei­ne noch grös­se­re Un­ge­rech­tig­keit. Nicht zwi­schen Frau und Mann, son­dern zwi­schen Jung und Alt. Bei der be­ruf­li­chen Vor­sor­ge wer­den heu­te schon Mil­li­ar­den von Jung zu Alt um­ver­teilt. Kommt noch ein Fi­nan­zie­rungs­loch in der AHV hin­zu, wer­den auch hier die Jun­gen teu­er be­zah­len müs­sen. Al­le, Frau wie Mann.»

Mit an­de­ren Wor­ten: nach bald drei Jahr­zeh­nten oh­ne Re­form – trotz er­heb­lich ge­stie­ge­ner Le­bens­er­war­tung – ist die­se drin­gen­der denn je. Je­des Jahr, das wir ver­lie­ren, geht zu­las­ten der Jun­gen, die sich zu­neh­mend ge­gen die mas­si­ven Um­ver­tei­lun­gen in den bei­den ers­ten Säu­len weh­ren. Mit dem Vorschlag des ASIP liegt ein gang­ba­rer Mit­tel­weg und Kom­pro­miss für die Re­form der zwei­ten Säu­le vor. 

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